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Modell eines Thunderstreak-Jägers im Buchtele-Museum Mansky Dvur |
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Dichter
Nebel lag über dem Tillenberg, als sich am 22. Oktober 1959 hier ein
schwerer Zwischenfall ereignete. Es war die Zeit des Kalten Krieges,
als sich NATO und Warschauer Pakt unversöhnlich und durch den
„Eisernen Vorhang“ getrennt, gegenüber standen. Dieser „Eiserne
Vorhang“ verlief auch in unmittelbarer Nähe der Marktgemeinde Neualbenreuth über
den Tillenberg und wurde durch mehrere Sperren auf
tschechoslowakischer Seite militärisch streng bewacht.
Am
obigen Tag starteten gegen 9.16 Uhr zwei Jagdbomber der Bundeswehr
des Typs F-84 F Thunderstreak im Rottenverband vom Memminger
Fliegerhorst zu einem Instrumenten-Übungsflug. Die Bundeswehr hatte
in der Zeit der Aufrüstung 450 Exemplare von den USA geschenkt
bekommen. An Bord waren der 29jährige Stabsunteroffizier Helmut
Kraus und der 23jährige Unteroffizier Rolf Hofmann. Kraus hatte
bereits 184, Hofmann 87 Alleinflugstunden mit dem Muster F-84 F
absolviert. Somit waren sie nicht ganz unerfahrene Piloten. Dabei
sollten sie an Funkfeuern von Illertissen, Dinkelsbühl, Frankfurt,
Bad Nauheim, Bitburg, Zweibrücken, Heidelberg und Rottweil entlang
wieder nach Memmingen fliegen. Funkfeuer senden mit bestimmter
Frequenz bestimmte Morsezeichen und sind somit ein Radio-Kompass.
GPS, Autopilot oder moderne Radargeräte gab es damals noch nicht.
Dabei flog die Thunderstreak mit einer Geschwindigkeit von 1.119
km/h. Das Bundesministerium für Verteidigung bezeichnet diesen
Flugzeugtyp als schweres und schwieriges Flugzeug. Es war einsitzig
und einstrahlig. Bereits nach kurzer Zeit auf einem zweisitzigen
Übungsflugzeug anderen Typs mussten die Flugschüler auf das
Einsatzmuster umsteigen. Es begann gleich die Phase des learning by
doing.
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Die Piloten Hofmann und Kraus, abgebildet im Buchtele-Museum Mansky Dvur |
Bereits
gegen 9.52 Uhr informierte Kraus die Bodenstelle in Frankfurt, dass
Unteroffizier Rolf Hofmann Probleme mit seiner Sauerstoffanlage hat.
Beide Flugzeugführer erhielten den Befehl, sofort nach Memmingerberg
zurückzufliegen. Die Piloten peilten das Funkfeuer Memmingen an.
Doch damit begann ein Verhängnis: Sowohl Memmingerberg als auch die
US-Amerikaner in Grafenwöhr in der Oberpfalz hatten ihre Funkfeuer
auf der gleichen Frequenz mit nur schwer unterscheidbaren Signalen.
Somit flogen die Piloten statt Richtung Südwesten nach Südosten. Um
10.27 Uhr funkte Memmingerberg, dass sie bereit zur Landung seien.
Doch schon um 10.24 Uhr waren die Piloten auf das Gebiet der
Tschechoslowakei bei Cheb geraten. Noch immer glaubten sie sich in
der Nähe von Memmingen und unternahmen einen Wolkendurchstoß zur
Landung. Doch statt über Memmingen flogen sie eine Schleife über
Sokolov. Dichter Nebel, Wolken und Regen nahm ihnen die Sicht.
Bereits um 10.16 Uhr hatte eine amerikanische Radarstation die Rotte
mit Kurs Tschechoslowakei entdeckt. Sie forderte alle Flugzeuge im
Grenzgebiet durch Funkspruch auf, auf Westkurs zu gehen. Doch die
geortete Rotte antwortete nicht. Auch von Fürstenfelbuck aus
versuchte man, Kontakt zu Kraus und Hofmann aufzunehmen, aber
vergeblich. Die beiden hatten sich hoffnungslos verflogen. Die
tschechoslowakische Flugabwehr ließ ab 10.16 Uhr 4 MiG-Jäger zum
Abfangen der feindlichen Flugzeuge von Pilsen, Zatec (Saaz) und Ceské
Budejovice (Budweis) aus aufsteigen. Allerdings machte auch ihnen das
schlechte Wetter einen Strich durch die Rechnung, so dass es zu
keiner „Feindberührung“ kam. Sie konnten die feindlichen
Flugzeuge einfach nicht orten. Nach der Schleife über Sokolov flogen
Kraus und Hofmann wieder Richtung Deutschland, verließen um 10.28
Uhr den fremden Luftraum, um hier erneut nach drei Minuten in einer
Schleife zurück in die CSSR zu fliegen. Sie wähnten sich über
ihrem Heimatflughafen und begannen den Landeanflug mit Sinkflug und
fuhren Fahrgestell, die Bremsschilde und die Landeklappen aus. Ihr
Versuch der Landung in Memmingen endete gegen 10.38 Uhr in den
Baumwipfeln des Tillenberges auf tschechoslowakischer Seite, ca.
einen Kilometer hinter dem Eisernen Vorhang. Später schilderte
Stabsunteroffizier Helmuth Kraus den Vorgang so: „Ich glaubte über
Memmingen zu sein, als ich durch die niedrige Wolkendecke auf
Tannenbäume stieß. Ich zog hoch, dann war schon Feuer an der
Maschine, die Turbine lief nicht mehr. Ich habe den Schleudersitz
betätigt. War nicht hoch genug für den Fallschirm, der sich kaum
noch öffnen konnte. Da hing ich an einer Tanne, habe den Helm und
die Sauerstoffmaske an den Ast gehängt und bin runtergeklettert.
Dann suchte ich Menschen und sah braune Uniformen, die ich noch nie
gesehen hatte. Da erst merkte ich, dass ich wohl in der
Tschechoslowakei war...“ Auch Unteroffizier Rolf Hofmann betätigte
den Schleudersitz, blieb aber mit seinem Fallschirm an einem Baum
hängen. Später schrieb er dazu: „Nach knapp einer halben Stunde,
ich hing immer noch am Fallschirm in der Fichte, hörte ich Stimmen
und machte mich bemerkbar. Erstaunt sah ich Männer (in Uniform) mit
einem Suchhund an der Leine, tragbaren Funkgeräten und wunderte mich
über die mir unbekannte Ausstattung des Memminger Rettungsteams (off
base crashcrew) ". Es handelte sich um Grenzsoldaten der kleinen
Kaserne bei Neumugl. Beide Absturzstellen liegen nur ca. einen
Kilometer voneinander entfernt.
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Flugzeugflügel sowie Bruchstücke der Absturzmaschinen im im Buchtele-Museum Mansky Dvur |
Auf
deutscher Seite wurde, nachdem die Durchstoßzeit von sieben Minuten
für Memmingen vergangen waren, Alarm gegeben. Eine fieberhafte Suche
nach den verschollenen Flugzeugen begann. Soldaten, Polizisten und
Forstleute, unterstützt von amerikanischen Hubschraubern,
durchkämmten das Fichtelgebirge, den Steinwald, die Gegend des
Rauhen Kulms und um Grafenwöhr, nachdem Berechnungen ergaben, dass
sie nur in diese Richtung geflogen sein können. Aber die beiden
Jagdbomber blieben verschollen. Nach 13 Tagen wurde die Suche
eingestellt. Die Spekulationen zu diesem Fall schossen ins Kraut. In
Prag stellte man sich ahnungslos und wusste angeblich von nichts. Das
„Neue Deutschland“ in der DDR behauptete gar, amerikanische
Jagdflugzeuge hätten die Maschinen abgeschossen. Andere nahmen einen
Absturz über Hessen an oder einen Irrflug in die Schweiz. Ein
Förster aus Rehau wollte in der Nähe der tschechischen Grenze eine
Detonation gehört haben, eine Frau sah vom Ochsenkopf aus einen
Rauchpilz.
Das
Verteidigungsministerium unter Franz Josef Strauß dementierte den
Vorgang energisch, jedoch musste er eine Woche später kleinlaut dem
Verteidigungsausschuss in geheimer Sitzung berichten, dass Flugzeuge
und Piloten sich in der CSSR befinden. Beide Piloten wurden sofort
festgenommen und nach Prag in ein Gefängnis gebracht. Hier wurden
sie tagelang durch Geheimdienstoffiziere und Luftwaffenspezialisten
verhört, sollen aber korrekt behandelt worden sein. Tschechische
Berichte besagen, dass man versuchte, sie zur Zusammenarbeit zu
bewegen, was aber nicht gelang. Nach diesen Berichten wurde die BRD,
die zu dieser Zeit keine diplomatischen Beziehungen zur CSSR
unterhielt, erst am 14. November darüber unterrichtet, dass beide
Piloten den Absturz überlebt haben. Das Bundesministerium für
Verteidigung schreibt, dass der genaue Informations-Zeitpunkt bis
heute nicht bekannt ist. Beide Seiten nutzten aber die Situation für
ausgiebige Propaganda.
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Teilstück von einer der Unglücksmaschinen
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Die Verhandlungen über einen Austausch
übernahmen die USA sowie „andere Kanäle“. Der „andere Kanal“
war vor allem der sudetendeutsche SPD-Bundestagsabgeordnete Alfred
Frenzel, der maßgeblich an der Freilassung beteiligt war. Allerdings
wurde er ein Jahr später als Agent der Tschechoslowakei enttarnt und
verurteilt. Schließlich wurden die beiden Piloten nach 43 Tagen
Einzelhaft und einem Prozess wegen Spionage, bei dem sie zu
Schadenersatz verurteilt wurden, am 2. Dezember 1959 am Grenzübergang
Waidhaus den deutschen Behörden übergeben. Tagelang hatten
Reporterscharen dort ausgeharrt. Auf den dort aufgenommenen Fotos
sieht man keine Helden, sondern säuerliche Gesichter, die Bände
sprechen.
Vor
einer Pressekonferenz mit Franz Josef Strauß, der sich übrigens als
einziger nach ihrem persönlichen Befinden erkundigte, wurden die
beiden Piloten angewiesen, möglichst in Fliegersprache oder dem
bayerischen Dialekt zu sprechen, um die Frager zu verwirren. So
hörten die Journalisten nur merkwürdiges NATO-Kauderwelsch. Der
Pressechef Schmückle klärte sie auf: „die Piloten können
natürlich nicht mehr perfekt Deutsch!“
Deutschland
entschuldigte sich offiziell für den Vorfall und zahlte den
Schadenersatz, zu dem die Piloten verurteilt waren, für den
zerstörten Wald.
Die
Überreste der Flugzeuge wurden von tschechoslowakischen Experten
ausgiebig untersucht. Von besonderem Interesse waren die Navigations-
und elektronischen Systeme sowie das APG-30-Schießradar. Das
Triebwerk aus Rolf Hofmanns Flugzeug landete im
Militärforschungsinstitut in Prag und befindet sich seit 1992 im
Luftfahrtmuseum in Prag-Kbely. Der Rest dieser Maschine wurde wohl
schon 1959 durch Grenzschützer größtenteils verschrottet. Das
andere Flugzeug aber blieb in den sumpfigen Wäldern des Tillenberges
bis nach der Samtenen Revolution stecken. Dann machten sich
Luftfahrtenthusiasten aus Cheb, die von ehemaligen Grenzschützern
hörten, was passiert war, auf den Weg zu den Absturzstellen. Sie
begannen, den Motor per Hand auszugraben. Mit schwerem Gerät war
die Arbeit in diesem Gelände nicht möglich. Allerdings wurde der
Motor gestohlen, bevor er abtransportiert werden konnte. Einige Teile
der Maschine landeten im Luftfahrtmuseum Zruč
bei Pilsen. Einige Jahre später entdeckten Forstarbeiter das große
Stück eines Flügels. Sie informierten den passionierten
Heimatforscher und Sammler Zdenek Buchtele (verstorben im Juli 2021),
der ihn sofort abholte. Dieser Flügel und weitere Teile sowie
Informationen zum Absturz sind im Buchtele-Museum in Mansky Dvur
(Lehnhof) bei Dolny Zandov (Untersandau) zu sehen.
Übrigens
schenkten die Luftfahrtenthusiasten aus Cheb Rolf Hofmann nach der
Grenzöffnung ein kleines Teil seiner Unglücksmaschine.
Dieser Artikel erschien zuerst am 22. 10. 2021 zum 62. Jahrestag des Absturzes im "Neuen Tag"
https://www.onetz.de/oberpfalz/bad-neualbenreuth